Stellungnahme vom Café Wagner vom 27.01.2021:
„Vergangenen Samstag fand in Jena eine Demo unter dem Motto „Gemeinsame Bewältigung der Coronakrise“ im Landgrafenviertel statt. Aufgrund der fragwürdigen, öffentlichen Reaktionen auf den Protest und vereinzelter Distanzierungen aus der Soziokultur sehen auch wir uns veranlasst, dazu Stellung zu beziehen.
Wir halten es zunächst für legitim, die Demo und die dort verteilten Handzettel zu kritisieren: Die zentrale Forderung nach gesamtgesellschaftlicher Umverteilung wurde verkürzt vermittelt und an vereinzelten Stadtbewohner_innen aufgemacht, statt die Situation von Großunternehmen und tatsächliche Vermögensverteilung in den Blick zu nehmen. Auch der Aufruf zur freiwilligen Spende erscheint fragwürdig, da er eine notwendige demokratische Aushandlung der Verteilung von Geldern in der Stadt torpediert und den Anschein erweckt die Krise wäre Folge des moralischen Versagens einer Minderheit.
Der große Aufschrei in der lokalen Presse, sowie in Teilen der Soziokultur und in den Social-Media schaffte jedoch genau das nicht: Eine politische Kritik zu formulieren. Stattdessen wurde das Geschehen überdramatisiert und die Forderung nach gesamtgesellschaftlicher Umverteilung in Gänze denunziert. Tonus war, dass wir ja alle in Zeiten der Krise zusammenhalten müssten, statt weiter zu spalten und Fronten zu schaffen. Der Mythos von der Mitte der Gesellschaft wurde beschworen und das Bündnis in die Ecke des Extremismus verdammt.
Der Vorwurf der Spaltung verkehrt jedoch die Realität: Der Entwurf zum HSK zeigt eine klare, existierende Spaltung in der Stadt zwischen profitorientierter Industrie und Politik auf der einen und bedürfnisorientierter sozio-Kultur auf der anderen Seite. Die Spaltung verläuft zwischen einer seit Jahren wachsenden Wirtschaft und denen, die sich kaum noch Bahntickets leisten können und aktuell nicht mehr wissen, wie sie im Sommer noch ihre Miete zahlen sollen. Die Krise zeigt einmal mehr: Wir sitzen eben nicht alle im selben Boot.
Die Gesellschaftliche Spaltung ist längst Realität und lässt sich nicht durch das Beschwören von Einigkeit überwinden. Es muss Veränderung geben!
Ein vermögensorientierter Ausgleich zur Schließung der Haushaltslücke würde nicht spalten, sondern versöhnen und ausgleichen. Ein solidarischer Ausgleich der Krisenkosten könnte Existenzen sichern, ohne Menschen den Rand der Existenz zu treiben. Praktische Umverteilung könnte den Zusammenhalt in der Stadt stärken und zu mehr werden als eine Phrase.
Was spaltet sind die zahlreichen Distanzierungen vom Bündnis, die anstelle der notwendigen politischen Kritik an der Demo getreten sind. Sie untergraben den demokratischen Diskurs im Bündnis, der auf Städteebene gefordert wird. Zumal politische Lösungen nicht durch Vereinzelung und Phrasen entstehen, sondern durch starke Bündnisse, die auch in Zeiten schlechter PR zusammenhalten und für eine solidarische und gerechte Stadt für alle kämpfen.
In diesem Sinne rufen wir die Jenaer Soziokultur dazu auf, sich nicht von dem Bündnis zu distanzieren, sondern ihre Kritik einzubringen und Lösungen zu entwickeln.
Wir rufen die Stadt Jena dazu auf, die Kosten der Krise nicht auf die Ärmsten in der Stadt abzuwälzen, sondern alle Teile der Stadtgesellschaft entsprechend ihren Möglichkeiten zur Verantwortung zu ziehen, denn Zusammenhalt bedeutet für uns:
Wer hat, der gibt! Für ein solidarisches Miteinander!“
Nachzulesen: https://www.facebook.com/cafewagner/posts/3827264587339256?tn=K-R, mit Erlaubnis des Café Wagners auf der Internetseite veröffentlicht