Die Stadt Jena hat kein Geld mehr. Das behaupten zumindest die Verantwortlichen immer und immer wieder und das ist der Grund, warum im letzten November einen Entwurf eines Haushaltssicherungskonzepts vorgelegt wurde, das die Stadt zu großen Einsparungen im sozialen und kulturellen Bereich zwingen würde, und zwar auf Jahre hinweg. Inzwischen ist klar, dass es zusätzliches Geld vom Land und vom Bund gibt und dass das Haushaltsdefizit kleiner ausfällt, als befürchtet. Deshalb sind einige der Kürzungen inzwischen vom Tisch, beispielsweise der Wegfall des Sozialtickets für Kinder und die freie Beförderung zur Wahlschule oder die Schließung der Teilbibliothek in Lobeda.

Die Stadt versucht außerdem an verschiedenen Stellen eine Einnahmeerhöhung zu erzielen, beispielsweise durch eine Anhebung der Gewerbesteuer oder durch eine größere Gewinnabführung von den Jenaer Stadtwerken, die vollständig in kommunaler Hand liegen. Dadurch, dass inzwischen vom Land Thüringen das zweite Mantelgesetz angekündigt wurde, das Kommunen zusätzlichen finanziellen Spielraum verschaffen soll und die Pflicht von Kommunen zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts für Haushaltsdefizite, die durch Corona verursacht wurden, außer Kraft setzt, wird die Stadt im Endeffekt wohl ohne Haushaltssicherungskonzept auskommen. Nichtsdestotrotz kündigen sich auch schon im normalen Haushalt der Stadt für 2021 drastische Kürzungen an.

Eine offensichtliche Quelle von zusätzlichem finanziellen Spielraum, den die Stadt aktuell so dringend bräuchte, wird aber leider komplett außen vor gelassen. Die Stadtspitze plant für die nächsten fünf Jahren mit Investitionen von über 60 Mio. € in fossile Infrastruktur, wie Straßen und Parkhäuser. Das ist nicht nur aus finanzieller Sicht fatal. Die Stadt widersetzt sich damit auch aktiv der Notwendigkeit einer schnellen Verkehrswende zur Eindämmung der Klimakrise.

Wenn wir nicht noch zu unseren Lebzeiten in einer Welt leben wollen, in der ein nicht unwesentlicher Teil der Erdoberfläche unbewohnbar sein wird, in der hunderte Millionen Menschen auf der Flucht vor lebensfeindlichen Klimabedingungen sind und in der Naturkatastrophen, steigende Meeresspiegel und Hitzesommer Regel statt Ausnahme sind, muss global möglichst bald Treibhausgasneutralität erreicht werden.1 Das bedeutet, dass sich jedes Land und jede Gemeinde, also auch die Stadt Jena, jetzt auf den Weg dorthin machen muss.

Was die Stadtspitze nun aber plant und wofür sie ihre knappen finanziellen Ressourcen einsetzt, ist das genaue Gegenteil und das, obwohl vom Stadtrat selbst anerkannt wurde, dass wir uns in einem Klimanotstand befinden und beschlossen wurde, dass auch in Jena die Verkehrswende schnell vorangetrieben werden muss. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich halbiert werden und der Anteil des motorisierten Individualverkehrs, also vor allem von Autos, deutlich reduziert werden.2

In der Realität plant Verkehrsdezernent Christian Gerlitz eine Osttangente um die Innenstadt, die den städtischen Haushalt mindestens 11 Mio. € kosten wird. Faktisch ist die Entlastung, die diese ausgebaute Straße dem innerstädtischen Verkehr bringen würde, höchstens eine Stunde am Tag überhaupt spürbar, tatsächlich wird sie aber einfach für mehr Durchgangsverkehr, mehr Lärm und mehr Dreck sorgen. Da das Projekt darüber hinaus zu einem großen Teil aus Fördermitteln von Landes- und Bundesebene finanziert werden, liegen die realen Kosten noch um einiges höher, bei über 30 Mio. €, und eine zusätzliche Steigerung ist absehbar.

Um den Wegfall der Parkfläche am Eichplatz zu kompensieren, möchte die Stadtspitze darüber hinaus am neuen Uni-Campus am Inselplatz ein neues Parkhaus für 11,5 Mio. € bauen, und das obwohl jetzt schon die Tiefgaragen in der Innenstadt die meiste Zeit leer stehen und der gefühlte Parkplatzmangel mehr Einbildung als Realität ist.3 Dieses Projekt, das die Stadt in den Vertrag mit der Universität über die Entwicklung des Inselplatz-Campus hineinverhandelt hat, obwohl die Uni es eigentlich gar nicht für unbedingt notwendig hielt, ist außerdem so unwirtschaftlich, dass die Stadt es vollständig allein finanzieren muss, weil sie dafür keine Fördermittel vom Land bekommt.

Das sind nur zwei Beispiele aus einer ellenlangen Liste von Straßenbauprojekten in Jena. Darin sind neben vielen kleineren Bauprojekten auch unter anderem die Wiesenstraßenverlängerung in Jena Nord und Straßen- und Parkplatzneubauten rund um das irrsinnig teure neue Stadion enthalten. Doch neue Straßen sorgen nicht für eine Entlastung und einen besseren Verkehrsfluss, wie häufig behauptet wird. Neue Straßen sorgen vor allem für neuen Verkehr4 und das widerspricht sowohl den Nachhaltigkeitszielen, die sich die Stadt selbst gesetzt hat, als auch der dringenden Handlungsnotwendigkeit zur Eindämmung der Klimakrise. Dennoch möchte die Stadt dafür ihre ach so knappen Geldmittel einsetzen. Das muss unbedingt verhindert werden.

Die Stadt plant zwar den kommunalen Haushalt erst Ende März zu beschließen. Die Geldmittel für die oben beschriebenen Projekte werden allerdings voraussichtlich schon vorher in der Stadtratssitzung am 24.02. beschlossen, denn ausgeführt werden sie durch den kommunalen Eigenbetrieb Kommunalservice Jena (KSJ). Dessen Wirtschaftsplan für 2021, in dem auch der Investitionsrahmen für die nächsten fünf Jahre festgeschrieben wird, soll bereits Ende Februar durch den Stadtrat gebracht werden. Damit steht zwar noch nicht die Gesamtsumme fest, die KSJ in dem Zeitraum zur Verfügung steht, da diese vorbehaltlich der Mittelzuweisungen des kommunalen Haushalts ist, die Verteilung des Geldes jedoch schon. Deshalb muss der Wirtschaftsplan in seiner jetzigen Form verhindert werden, um nicht schon vor dem eigentlichen Haushaltsbeschluss Fakten zu schaffen und der Stadt jeglichen Spielraum zu nehmen.

Besonders an die Stadtratsfraktionen von Linken, Grünen und SPD appellieren wir, diese massiven Fehlinvestitionen zu verhindern und auf einen neuen Plan zu drängen. Wir brauchen Investitionen in Solaranlagen, in einen günstigen und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, in energetische Gebäudesanierungen und in eine nachhaltige Wärmeversorgung, statt in immer mehr und mehr Straßen und Parkplätze. Wir brauchen eine lebendige Kulturszene und soziale Teilhabe, denn das, und nicht immer mehr Beton und Asphalt, macht die Stadt attraktiv und lebenswert für alle Menschen.

1 https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/klimaschutz/130523_4-grad-bericht-deutsche-zusammenfassung.pdf

2 https://umwelt.jena.de/sites/default/files/2020-08/Leitbild_Klimaschutz_21-30.pdf

3 City-Studie 2019 – Gesamtbericht.pdf (jena.de)

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Braess-Paradoxon

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