zu einer sozialen und solidarischen Konsolidierung des Haushaltes der Stadt Jena
Die AG Jugendarbeit ist der Zusammenschluss der in der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit aktiven freien Träger Jenas. Wir verstehen uns als Sprachrohr der Fachkräfte, die in Bereichen Schulsozialarbeit, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit, themenspezifische Arbeit und Streetwork mit Jenaer Kindern und Jugendlichen arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, als Vertretung der freien Träger im Prozess der Jugendhilfeplanung mitzuwirken. Die AG Jugendarbeit setzt sich insbesondere dafür ein, dass die Bedürfnisse der Jenaer Kinder und Jugendlichen in der Jugendhilfeplanung berücksichtigt werden. Wir stehen für Partizipation von Jenaer Kindern und Jugendlichen, für sozialen Ausgleich und Vielfalt in der Stadtgesellschaft Jenas.
Wir wollen ein Jena, das für alle Kinder und Jugendlichen bleibt, was es ist: lebenswert, eine Stadt der Zukunft, Ideen und Möglichkeiten ob kulturell, wissenschaftlich, wirtschaftlich oder sozial. Eine Stadt des Zusammenhalts, Miteinanders und Mitgestaltens, eine blühende Bildungslandschaft, eine Stadt, in der man aufgefangen wird, wenn man stolpert. Eine Stadt, in der man eine Kindheit und Jugend erlebt, an die man sich gern erinnert.
Wir sehen diese Tradition und Vision Jenas mit Blick auf die möglichen Maßnahmen einer anstehenden Haushaltskonsolidierung in Gefahr, da damit eine Anzahl von Einschnitten für Kinder und Jugendliche einhergehen könnte. Auch wenn das Haushaltssicherungskonzept nicht mehr zur Debatte steht, sehen wir dennoch die Gefahr einer möglichen Haushaltskonsolidierung zu Lasten von Familien, Kindern und Jugendlichen Jenas. Vorhaben dieser Art betrachten wir in Gänze und gerade zum jetzigen Zeitpunkt als falsch. Wir sind solidarisch mit Einrichtungen, Vereinen und Initiativen, die sich mit uns zusammen für die Kinder und Jugendlichen Jenas engagieren.
Wie für alle Bürger*innen Jenas war und ist die Pandemielage auch und insbesondere für Kinder und Jugendliche eine Belastung. Um dies zu kompensieren, ihre und damit nicht zuletzt auch Jenas Zukunft zu sichern, braucht es aus unserer Sicht Investition statt Kürzung und die Bereitschaft, sozial wichtige Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien aufrecht zu halten. Stattdessen befürchten wir weiterhin, dass die im bereits HSK angedachten bzw. anstehenden Kürzungen nach wie vor für eine Haushaltskonsolidierung zu Debatte stehen werden. Folgende Bereiche werden nachfolgend beispielhaft genannt:
Kulturförderung
Das frühere Haushaltssicherungskonzept sah im Bereich der kulturellen Vereinsförderung eine Kürzung in Höhe von 230.000 € für kulturelle Träger und Vereine vor. Grundsätzlich lässt sich hier feststellen: Je geringer die Fördersummen, umso relevanter ist die Vereinsförderung für die Aufrechterhaltung ihrer Struktur, mit der die Vereine und Initiativen Drittmittel einwerben (Landes/BundesMittel), um ihre eigentlichen Inhalte zu machen. Beispielhaft sollen folgend Szenarien dargestellt werden, die bei einer Kürzung im Bereich der Kulturförderung drohen können.
Die nachstehend beispielhaft aufgeführten Vereine und Initiativen stehen für viele andere Kulturinitiativen, die ebenfalls massiv von den Kürzungen betroffen wären (Tanzhaus Jena e.V., Lesezeichen e.V., Psychochor, Cellu l’art,…).
Kassablanca Gleis 1
Ein Einfrieren des Zuschusses auf dem Niveau des Jahres 2020 in Verbindung mit einer Kürzung um 20% würde für das Kassablanca eine Kürzung von 23% bedeuten (entspricht 72.450 €). Diese Bezuschussung ermöglich in erster Linie die Finanzierung des Personalstammes von 4,0 VbE sowie Auszubildende und Bundesfreiwilligendienst. Sollte die Kürzung in der besagten Summe erfolgen, bedeutet dies einen Stellenabbau von 1,5 VbE oder eine Stellenreduzierung bei allen angestellten Mitarbeiter*innen. Damit wäre der Betrieb des Kassablanca nicht mehr im vollen Umfang gesichert.
Radio OKJ e.V.
Durch vorherige Kürzungen gibt es bereits jetzt eine eingeschränkte Redaktion. Diese könnte mit weiteren Kürzungen nicht mehr wirksam arbeiten. Daraus resultierend können weniger Informationen und Redebeiträge der Sendungen erfolgen. Dies ist aber gleichzeitig als Bedingung an die strukturelle Förderung der TLM geknüpft. Ohne Redaktionsarbeit kein Bürgersender. Damit droht mittelfristig der Wegfall des Standortes OKJ in Jena sowie der Verlust der Sendehelfer und der FSJ-Stelle
Freie Bühne Jena e.V.
Die Stelle Geschäftsführung oder Künstlerische Leitung kann nicht mehr fortgeführt werden oder muss halbiert werden. Durch die Stellenreduzierung wären weitere Fördermöglichkeiten durch Landesmittel gefährdet. Dies hätte den Wegfall von Kooperationsprojekten mit Kultur- & Bildungseinrichtungen (ThüRaz, Stadtkirche, Jugendarbeit, Schulprojekte) zur Folge.
FreiRaum e.V.
Möglicher Verlust der Antragsberatung und Verwaltung Fond Soziokultur (ca. 14 Mikroprojekte/Jahr)
Film e.V. Jena
Möglicher Wegfall der Projekte: Kino im Paradies, 35mmKino. Wegfall des niedrigschwelligen Kino-Kabaretts Kino Dynamique drohte (ca. 50 TN entwickeln in Workshops als Schauspieler und Filmemachende Medienprodukte in 72 Stunden, aufgeführt im Schillerhof)
Musik- und Kunstschule
Wegfall Instrumenten-Karussell für Jenaer Grundschulen könnte drohen Wegfall des Profilfach „Bandprojekt“ und „JeKiss- Jedem Kind seine Stimme“ an der Gemeinschaftsschule Kulturanum, sowie spartenübergreifende multimediale Musikschulproduktion sind in Gefahr. Möglicher Wegfall von Kooperationsprojekten mit der Jenaer Philharmonie und Jenaer Vereinen (Bsp.: Arenaovertüre, Klang von Jena oder Junges Podium) Möglicher Wegfall von Chor-, Orchester- und Bigbandreisen, Wettbewerben und Probephasen
Kunstwerk e.V.
Aufgrund der ehrenamtlichen Struktur gibt es keine Überbrückungshilfen. Durch Wegfall der offenen Zeiten würden ca. 150 Menschen/Monat nicht mehr erreicht Ohne Förderung gäbe es keine Kompensation der einnahmenschwachen Monate, dies führt zu Verlust des Standortes Kunstwerk in der Zwätzengasse (TN-Beiträge sind bereits teilhabegerecht gestaltet)
Zuschüsse Frauenvereine
Die im ehemaligen HSK angedachten Kürzungen der Frauenvereine waren mit 13.000 € veranschlagt, obwohl festgestellt wurde, dass gerade Frauen und Mütter durch die Pandemie belastet sind. Die Vereine leisten hier wichtige Unterstützung und Beratung vor allem für alleinerziehende und geflüchtete Frauen und somit deren Familien.
Sportförderung
Die Sportförderung bzw. Sportstättenförderung wird im Stadtsportbund Jena e.V. durch 0,5 VbE abgedeckt. Diese halbe Arbeitsstelle soll nach wie vor ab dem 01.05.2021 personell nicht nachbesetzt und die Arbeitsaufgaben dann durch die verbleibenden Arbeitnehmer*innen übernommen werden. Durch diese Umstrukturierung würden Angebote für Kinder und Jugendliche nur noch rudimentär oder überhaupt nicht mehr stattfinden. So stehen unter anderem die Kita-Spielfeste, die Kinderolympiade und die Fortbildungen für Erzieher*innen auf dem Prüfstand.
Vereinszuschüsse im Bereich Migration und Integration
Die vorgelegten Kürzungenvorschläge betrafen neben den vielen anderen sozialen Angeboten und Anlaufstellen auch die Flüchtlingssozialberatung. Diese begleitet Menschen nach ihrer Ankunft im Asylverfahrens- und Aufenthaltsrecht, berät zu Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und vermittelt zu Anwälten, Therapeut*innen und anderen Beratungsstellen der Stadt. Sie ist häufig eine der ersten Anlaufstellen in Jena.
Bildungsbezogene Projekte im freiwilligen Bereich
Kindersprachbrücke
Betroffen im HSK waren Zuschüsse in Höhe von 18.000 €. Die Angebote der Kindersprachbrücke erreichen mehr als 200 Kinder aus aller Welt. Dabei stehen die Sprach- und Spielenachmittage an 4 Jenaer Grundschulen, die Einzelsprachförderung, die Koordination von 3 Feriensprachkursen sowie die Freiwilligenförderung auf dem Spiel.Rabatz
Rabatz ist ein Projekt des Radio OKJ e.V. und ist ein Angebot zur Intensivierung medienpädagogischer Arbeit von Kindern und Jugendlichen in Jenaer Kindergärten, Schulen und pädagogischen Einrichtungen. Eine Kürzung des Projektes bedeutet einen Aufbruch der Personalstruktur. Dies müsste in Honorarstallen umgewandelt werden. Damit fällt das Projektmanagement (Mittelakquise, Teilnehmer*innenakquise und Konzeptentwicklung) weg. Es müsste eine Reduzierung von ca. 10 Projekten erfolgen, was letztendlich dazu führt, dass 150 Kinder und Jugendliche jährlich weniger erreicht werden könnten.
MINT
Die Abkürzung MINT steht für mathematische, informatische, naturwissenschaftliche und technische Bildung. Damit stellt die MINT Förderung für Kinder und Jugendliche, beispielsweise im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften an Schulen oder Ferienangeboten einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Stadt Jena als Wissenschafts- und Wirtschaftsregion dar. Eine Kürzung in diesem Bereich steht der gezielten Förderung von Kindern und Jugendlichen vollkommen entgegen.
Eurowerkstatt Jena e.V.
Aufgabe der Eurowerkstatt ist neben der internationalen Jugendarbeit v.a. auch die Beratung und Koordination im Rahmen des „Europäischen Solidaritätskorp“. Dies bedeutet Jugendliche und junge Erwachsene über die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten in Europa zu beraten und sie ggf. an Partnerorganisationen zu entsenden, sowie junge Menschen aus dem Ausland in Jena aufzunehmen und sie zu begleiten. Für diese Aufgaben erhält die Eurowerkstatt einen jährlichen Mietzuschuss durch die Stadt Jena für die Anmietung ihrer Geschäftsräume. Bei Wegfall dieses Zuschusses könnten die Büroräume nicht mehr gehalten werden. Damit würde die gesamte Beratung und Koordination des ESK in Jena wegfallen. Eine Kürzung im Bereich der Jugendfonds (angesiedelt beim Team Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit) bedeutet weiterhin den Wegfall von Entsende- und Aufnahmeseminaren.
Eine Streichung des Zuschusses zur Schülerbeförderung zur Wahlschule ebenso wie eine Streichung der Bezuschussung der Jenaer Schulen in freier Trägerschaft (eine angedachte Senkung des Schulgeldes wäre so nicht möglich und würde den Zugang für Kinder aus einkommensschwächeren Familien weiter erschweren) arbeitet gegen die beispielhafte Jenaer Bildungspolitik der konzeptionellen Vielfalt. Es bedeutete höhere finanzielle Belastung für die Familien und führe dazu, dass Kinder und Jugendliche sich gemeinsam mit ihren Eltern nicht frei für eine Schule entscheiden können, die der Lebenswelt und dem Wesen der Kinder konzeptionell entgegenkommt. Eine Folge daraus könnten hier steigende psychische Belastung in der Jenaer Schülerschaft sein.
Kürzungen von Freiwilligen Leistungen auf vertraglicher Grundlage im Fachdienst Jugend und Bildung würde beispielsweise bedeuten, dass die beliebten Zirkusprojekte von MoMoLo e.V. für Kinder und Jugendliche in den Oster- und Herbstferien bedroht sind. Diese haben regelmäßig ca. 100 Teilnehmer*innen, sind die größten niedrigschwelligen Jenaer Ferienprojekte für Kinder und Jugendliche. Auch die von vielen Jenaer Schulen genutzten Schülertheatertage des Theaterhaus Jena könnten nicht mehr stattfinden.
In Kinder und Jugendliche investieren
Kürzungen in den beispielhaft genannten Bereichen würden aus Sicht der AG Jugendarbeit Einschnitte für ohnehin schon belastete Kinder und Jugendliche bedeuten. Sie wären ein Beitrag zur Spaltung der Stadtgesellschaft in dem Sinne, dass Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten und einkommensschwächeren Familien die Teilhabe an der Gesellschaft und den Chancen, die unsere Stadt bietet, erschwert würde. Neben den großen psychosozialen, schulischen und finanziellen Belastungen, die die Pandemie mit sich brachte, bringt und bringen wird, wären Kürzungen in eben diesen Bereichen ein weiterer Beitrag zur Belastung für alle Kinder und Jugendliche, aber vor allem derer, die sowieso schon mit Benachteiligungen zu kämpfen haben.
Aus fachlicher Sicht kann das Gebot der Stunde nur sein, Angebote der Jugendarbeit auszubauen, zu stärken und auskömmlich zu finanzieren. Das hieße, in Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zu investieren, um Pandemiefolgen zu kompensieren.
Kürzungen sind hier der falsche Weg.
Als AG Jugendarbeit unterstützen wir ausdrücklich den Änderungsantrag des Jugendhilfeausschusses vom 03.02.21 zu Streichungen einzelner Positionen S_10, S_13, F_04, F_05, F_14, F_28, F_38, F_39, F_47, F_48 und F_50 und fordern eine Haushaltskonsolidierung, die sozial und solidarisch gestaltet ist. Zudem fordern wir, den Trägern zeitnah eine vertragliche Sicherheit zu geben, die es ermöglicht Angebote im gewohnten Umfang umsetzen zu können.
Es ist jetzt an der Zeit, in Jenas Zukunft zu investieren und diese nicht klein zu sparen. Es ist an der Zeit sich auf das zu besinnen, was Jena zu dem macht, was es ist: Zusammenhalt, Miteinander, Mitgestaltung, Lebensqualität für die Jenaer Bürgerinnen und Bürger, auch für die, die nicht erwachsen und wohlhabend sind.
Die AG Jugendarbeit der Stadt JenaJena, 10.02.2021